die.Historik  

[gr.] insbesondere von Droysen vorgeschlagener Oberbegriff für die Lehre von der Methodik der historischen Forschung und den Formen der historischen Darstellung


Uwe schrieb am 30.12.02 ins Magirustagebuch:

Magirus Alaaf,
konnte mich, ergriffen von den Ereignissen der letzten Tage, nicht dagegen wehren, meine Gefühle in Worte zu fassen und endlich die Wahre Geschichte der heiligen Sankt Humbold, Santa Klöckner und Pater Deutz zu dokumentieren. Mein erster Versuch war kurz und bündig. Er las sich etwa wie folgt: HD - FA 170 Nach einigem Überlegen, schien mir dieser Beitrag zwar alles zu sagen, implizierte aber vielleicht ein geringes Maß zu viel an Leichtigkeit. Und deshalb folgt nun also mein zweiter Streich.
Guten Rutsch, trotz 90 % Profil, Toleranz sei mein Name

In der sinkenden Nachmittagssonne glitt der weiße Pickup über die Landstraße. Staubwolken erhoben sich hinter dem Fahrzeug und hingen noch eine Weile in der Luft, bevor sich die Partikel wieder auf den Boden senkten. Im inneren der Doppelkabine hörte man den Dieselmotor leise nageln und das Summen der Räder auf dem rauhen Asphalt führte in seiner Monotonie dazu, daß sich die Insassen des Fahrzeugs ganz der dahin fliegenden Landschaft und ihren Gedanken hingaben. Zuerst waren es noch kurze, mit Kräutern bewachsene Wiesen, auf denen ab und zu eine Kuh, meistens jedoch Schafe und Ziegen nach etwas Fressbaren suchten, später dann endlos erscheinende Olivenplantagen, schließlich tauchte die Küstenregion hinter den Fensterscheiben auf. In dem Wagen saßen Nickel „but not the metal“ Mittelmix, Gunnar „the art of living“ Hankechiev und hinter dem Steuer tauschte Uwe „don’t talk to much“ Mkvfhödaguqer nicht nur missmutige Blicke, sondern auch das eine oder andere Schimpfwort mit seiner Umgebung aus. Kurze Zeit später standen die drei am Flughafen von Monastir, wo sie nicht nur eine Hostess einer unbekannten Fluggesellschaft um ihr Schreibgerät zu erleichtern versuchten, sondern auch den vierten im Bunde, Claus „Spider“ Pirkhove, zu sich in den 4-Wheeler luden, um kurz darauf in Richtung Landesinnere von den Küstenstraßen auf unbestimmte Zeit zu verschwinden.
Die Sonne war eben hinter dem Horizont verschwunden, gerade noch konnte man an einem letzten rosa roten Schleier ihre Existenz erahnen, als „the art of living“ seine Stimme erhob. Vordergründig belanglos, aber bereits mit einem, wenn auch unformulierten Gedanken im Hinterkopf, richtete er sich, entgegen aller Regeln, während der Fahrt an den Fahrer. Scheinbar beiläufig verwickelte er den Lenker des durch die Nacht schießenden Gefährtes in ein Gespräch über Geländefahrzeuge. Das war noch nicht vielen gelungen. Schließlich entlockte er dem sonst undurchdringlichen ein Geheimnis.
„Ich habe schon darüber nachgedacht, mir einen Hanomag zu kaufen“, sagte „dont talk to much“, was in sich paradox erschien, „aber ich suche noch nach den geeigneten Leuten“. Prüfend blickte er dabei in den Rückspiegel. Gunnar erwiderte den eiskalten Blick eine Weile, dann wandte er sich ab, um ein Blinzeln zu verbergen.
„ Ich wäre dabei“, entkam es seinen fast bewegungslosen Lippen. „Ich auch“, erschallte es vom Nebensitz. „but not the metal“ lächelte unbekümmert durch den Wagen.
Den Rest des Abends verbrachte der Pickup damit, in steter Geschwindigkeit durch die nordafrikanische Nacht zu schneiden und seine ihm anvertrauten Schutzbefohlenen sicher in das Herz der Akaziensteppe nördlich des großen Salzsees zu tragen. Es schien ihn kaum zu kümmern, daß seine Insassen an einem Gefährt bastelten, ja über ein Mobil phantasierten, wie es die Welt zwar insgeheim erhofft, jedoch noch nie gesehen hatte...

Wenige Monate später trafen sich an einem nicht näher zu benennenden Samstag vier Gestalten in einer nach Moder und Unrat riechenden Gasse. Unsicher stiegen sie in einen cremefarbenen Kombi schwedischen Fabrikats. An der hinteren Beifahrertür fanden sich deutliche Spuren von Erbrochenem. „Don’t talk to much“ faßte in den Türgriff und mußte feststellen, daß auch dort angedauter Speisebrei unbekannter Herkunft versteckt war. Und er war frisch. Anhand der Konsistenz der säuerlichen Masse ermittelte er blitzschnell, dass, wer immer das auch gegessen hatte, es jedenfalls vor etwa sechs Stunden wieder los wurde. Dementsprechend konnte der Besitzer des Wagens unmöglich ausgeschlafen haben, denn er mußte noch gegen 4 Uhr früh unterwegs gewesen sein. Das Spritzmuster zeigte deutlich, daß die unbekömmlichen Nahrungspartikel bei nicht unbeträchtlich schneller Fahrt abgegeben wurden. Der Fahrer und Besitzer des Fahrzeugs wurde ihm kurz mit „Dave“ vorgestellt. Es sollte sich jedoch schnell herausstellen, daß es sich hierbei um keinen geringeren als den schon ins Reich der Fabelwesen geschobenen Mutanten einer technologisierten Gesellschaft handelte, um einen Magier des bewegbaren Stahls, den Bezwinger der korrodierten Kontermutter, den Herrn der Nietzange. Am Ende seiner oberen Extremitäten befanden sich keine Hände aus Fleisch und Blut, hier kamen Schraubstöcke zum Vorschein, an Stelle des kleinen Fingers saß ein 13er Gabelschlüssel als gäbe es keinen natürlicheren Platz für ihn. In den Unterarmen saßen unsichtbare Drehmomentmesser. Niemand in den geheimen Kreisen dunkler Werkstätten im Umkreis von hundert Kilometern wagte es, seinen Namen laut auszusprechen, aber wenn er vorbei huschte wie ein flüchtiger Schatten, wenn sich angezogene Radschrauben auch unter Mithilfe mehrerer starker Männer nicht lösen ließen, wenn Kabinen gekippt, Träger geflext oder Bleche genietet waren, dann raunte man, daß „die Ratsche“ irgendwie ihre Finger wieder mit im Spiel hatte.
Die Fahrt dauerte eine ganze Weile. Gesprochen wurde kaum, was „don‘t talk to much“ eher entgegen kam. Vielmehr blickten die vier ausgesprochen undurchschaubar durch die ansonsten eher durchschaubaren Glasbegrenzungen des Wagens. Selbst das nie versiegende Lächeln Nickel „but not the metal“‘s hatte plötzlich etwas eisiges und der Asphalt unter den sich drehenden Kautschukmischungen fühlte sich kalt an. Nur Mlakjsdfgaioergh versuchte unauffällig die Spuren des unbekannten Verdauungsbreis von seinen Fingern auf das dunkelblaue Polster der Rücksitzbank zu überführen. So saßen die vier nun noch eine Weile bis sie sozusagen in der Wiege des Motorsports zum stehen kamen.

Das Objekt ihrer Begierde zeichnete sich, weit sichtbar, rot gegen den wolkenbehangenen Frühsommerhimmel ab. Bald schon war klar geworden, daß sich die verwegene Schar den „Hanno“ aus verschiedenen Gründen abschminken konnten und würden. Auf den „Mag“ allerdings wollten zumindest drei von ihnen auf keinen Fall verzichten. Nach gründlicher Untersuchung des 6-fach bereiften Ungetüms kam das Geschäft schnell auf den wesentlichen Punkt, das Finanzielle. Hier war es vor allem Dave „die Ratsche“, der unerbittlich dem feilschenden Fuggerer die unmerklich beschweißte Stirn bot. Die Schar hungernder Kinder wurde durch die nicht zu befahrende Unterführung Herrengasse entkräftet, die anstehende Entlassung mehrerer Angestellter mit verstopften Dieselfiltern gekontert. Während die Diskussion heftiger wogte, bestachen die drei übrigen durch offen zur Schau getragenes Desinteresse am angebotenen Fahrzeug. In den entscheidenden Momenten der Verhandlung schauten sie aber leicht betreten zur Seite. Zum einen, um später nicht als belastende Augenzeugen auftreten zu müssen, zum anderen war es nie ein schöner Anblick, wenn Dave versuchte, seine Ansichten einem Gesprächspartner zu verdeutlichen. Als „die Ratsche“ mit dem bemitleidenswerten Kärpener fertig war, lag dieser wimmernd am Boden und flehte die Umstehenden an, den Wagen nebst einer nicht unbeträchtlichen Spende seinerseits anzunehmen. Die Viererbande allerdings blieb hart. Wie um den um Gnade winselnden Händler zu verspotten, warfen sie den ihnen angemessen erscheinenden Betrag in eine mit Ölflecken bestückte Pfütze und machte sich auf den Weg.
Die folgenden Monate beinhalteten harte, körperliche Arbeit und oftmals eisiges Schweigen. Wer geglaubt hatte, die Vier könnten sich nun über ihr Projekt einen Weg zurück ins bürgerliche Leben schaffen, könnten Brücken schlagen zu ihren Mitbürgern und ein rechtschaffenes Leben beginnen, der musste sich eingestehen, dass dies nicht der Fall war. Verbissen wurde das Projekt vorangetrieben, das Ziel immer vor Augen, den Plan im Hinterkopf. Selbst boshafte Sabotageversuche waren nicht in der Lage, die Arbeiten an dem Wagen aller Wagen zu stoppen. Um die letzte Hürde, die technische Inspektion durch die Lakaien des Vereins für technische Überwachung, zu meistern, war man sich nicht zu schade, den Bestimmungen zu entsprechen. Eigens dafür wurden nun unter erheblichem Aufwand Abdeckungen für die hinteren Räder geflext, geschweißt, vernietet und geschraubt, angestrichen und dann – gestohlen!! „Don’t talk to much“ bekam einen seiner seltenen Ausraster, als ihm die Nachricht übermittelt wurde. Außenstehende bemerkten dies kaum, aber Eingeweihte verstanden das nervöse Zucken seiner rechten Augenmuskulatur und die etwas tiefer nach unten gezogenen Mundwinkel. Er schaute sich den Tatort lange an und schien sich alle Einzelheiten einzuprägen. Lange verharrte er vor der Hinterachse. Seine Lippen wurden zu schmalen Strichen, irgendwie schien er einen Verdacht zu haben. Könnte sein, dass es bald eine nicht identifizierte Leiche mehr geben würde, dass hessische Beamte bald einen weiteren ungeklärten „Unglücksfall“ zu den Akten legen würden.....

Nach langem Wirken kam nun der entscheidende Tag. Es war ein grauer Dezembermorgen. Die Wolken hingen schwer von Wasser über den Dächern der Jugendstilstadt – oder besser dem, was davon übrig war. Es schien so, als würde der Himmel jeden Augenblick seine Schleusen öffnen, als würden die Wassermassen bald durch die Gassen toben. Zudem war es viel zu warm für einen Vorweihnachtstag. Hatten die Pforten der Hölle geöffnet, entwich die Hitze des diabolischen Feuers in Richtung Heidelberger Landstraße? Aus diesem unheilsschwangeren Szenario materialisierte sich plötzlich der MD 170 11 FA auf dem Parkplatz der Prüfanstalt. Erschrocken hauchte dieser Anblick dem vorher unbelebten Ort ein geschäftiges Treiben ein. Menschen in grauen Kitteln, mit schwarzen Schreibkladden unter dem Arm huschten über die verschiedenen Prüfspuren, die drei geheimnisvoll erscheinenden Personen scheinbar ignorierend, aber ab und zu fiel doch ein hurtig ausgeführter Seitenblick auf das riesige Fahrzeug. Das Warten zermürbte. Obwohl die drei genau wussten, dass dies nureine der nun folgenden Foltern sein würde, standen Sie ihr doch fast machtlos gegenüber. Nickel „but not the metal“ hatte in letzter Zeit geschwächelt. Ihr sonst kaltes, ja zynisches Lächeln hatte in den vergangenen Tagen und Wochen einen deutlichen Hang zur Freundlichkeit. Um das Projekt nicht zu gefährden, hatte sie sich entschlossen, sich etwas zurück zu ziehen. Schweren Herzens wollten die drei nun dem Inquisitor die Stirn bieten. Und da kam er, kaum konnte er all seine Folterinstrumente und Werkzeuge tragen, da baute sich der Herr der Paragraphen vor den Dreien auf, musterte jeden von ihnen lange und eingehen und sagte kein Wort. „Don’t talk to much“ erzitterte unmerklich und „die Ratsche“ litt unter kaltem Schweiß, einzig Gunnar „the art of living“ versuchte den Beamten in ein Gespräch zu verwickeln. Aber alles nützte nichts, akribisch wurde das Fahrzeug vermessen, gewogen und auf das peinlichste untersucht. Mit einem bisher noch nicht dagewesenen Aufwand, unter Berücksichtigung modernster Mess- und Prüfverfahren wurde der Wagen aller Wagen in der Prüfung aller Prüfungen bewertet. Immer heftiger wurden die Attacken des Ingenieurs und je weniger er finden konnte, je mehr Punkte auf seiner teuflischen Liste positiv abgehakt werden mussten, um so grimmiger wurde er. Schließlich wandte sich der Graue doch an die drei. „Aufmachen“ entfuhr es ihm und seine Augen begannen zu glühen, als es einen Moment dauerte, bis der Schlüssel die Tür zur Wohnkabine öffnete. Behende wie eine Gazelle schlüpfte der Prüfer ins innere und seine Laune besserte sich merklich. „Wo sehe ich denn einen funktionierenden, fest eingebauten Kocher?“, war eine seiner hämischen Fragen. „Wir haben hier einen Petroleum....“, war alles was Gunnar „the art of living“ hervorbrachte, bevor ihn das laute Lachen seines Peinigers unterbrach.

„Bett, Tisch?“ brachte er als nächstes hervor. „Wir haben da noch einen im..:“, versuchte sich nun „don’t talk to much“. Mit hochrot unterlaufenem Gesicht drehte sich der Universitätsabsolvent herum. „Hic Rhodos“ herrschte er die drei Probanten speicheltropfenversprühend an, „Hic Salta“ und wies sie nach draußen. Als er wieder ins Freie trat, zog sich ein teuflisches Grinsen über sein Gesicht. Ohne den Dreien noch ein weiteres Wort zurück zu lassen, verschwand er an seinen Schreibtisch.

Als er nach endlos erscheinenden Stunden und Minuten wieder auf der Prüfbahn erschien, hatte sein Ausdruck etwas befriedigtes. Stumm übereichte er dem Unheil witternden Dreigestirn das Dokument. Fast gleichzeitig fielen die sechs Augen auf den Fett gedruckten Mittelteil. ERHEBLICHE MÄNGEL, stand dort, fettgedruckt, für alle gut sichtbar zu lesen. Der grau bekittelte Ingenieur vom Dienst kicherte hämisch als er sich abwandte und sagte im Weggehen nur „bis Freitag“. Die drei Leidgeprüften versuchten die Fassung zu bewahren. Noch hier auf der Anlage zusammen zu brechen, diesen Triumph wollten sie den Herren Inquisitoren nun doch nicht gewähren. Unter Aufbietung aller Kräfte setzten sie sich in ihr Gefährt und rollten vom Gelände. Erst dort schauten Sie sich den Mängelbericht genauer an. Und was dort stand, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Zunächst ging es noch. Bett, Tisch und Kocher sollten kein all zu großes Problem darstellen, aber was sie dann lesen mussten, wagt man sich kaum auszusprechen. Zur Wohnlichkeit und zur Prüfbescheinigung fehlten: GARDINCHEN. Als „Die Ratsche“ das Wort laut aussprach, erzitterten die Fenster der Fahrerkabine merklich. Eben so gut hätte man ihnen auch befehlen können, die Kabine mit Stroh zu füllen und dieses dann bis Freitag zu Gold zu spinnen.......

Nach dem ersten Schock fassten sich die drei Haudegen aber wieder. So kurz vor dem Ziel wollte sich keiner von Ihnen geschlagen geben. Der Rest ist Geschichte. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde alles geforderte beschafft. Selbst ein heimtückischer Anschlag geschasster Rentner auf das Fahrzeug „der Ratsche“ konnte es nicht mehr verhindern. Am Freitag, den 27.12. Anno Domini 2002 musste der Inquisitor des Vereines für technische Überwachung kraft seines Amtes dem Fahrzeug nicht nur die Verkehrstauglichkeit, sondern auch noch die Eigenschaft als Sonder-KFZ Wohnmobil bescheinigen. Direkt nach der Übergabe der Papiere löste er sich in eine nach Schwefel stinkende Rauchwolke auf. Zurück blieb nichts als ein kleiner, verkohlter Haufen, der nach angesengtem Pferdehuf roch........